„Danke, Bea. Ich gehe sofort hoch. Sagst du Thorsten, dass er mich vertreten soll?“ Sie nickt und stöckelt davon. Jim tritt vor den Spiegel, zieht die Krawatte stramm und strafft seine Schultern. Er atmet ein paar Mal tief durch, bevor er sein Büro Richtung Aufzug verlässt. Er spürt Beas bohrende Blicke auf seiner Haut, reagiert aber nicht darauf – diese Genugtuung schenkt er ihr nicht. Jim betritt entschlossen den Aufzug, drückt den Knopf und wartet, dass sich die Aufzugtüren schließen. Er versucht sich mental zu beruhigen und atmet tief durch. So richtig gelingen will ihm das nicht. Dabei ist es nicht sicher, dass es wirklich um eines ihrer Zusammentreffen geht. Vielleicht wollen die Herren von der Geschäftsleitung ihn auch loben und zum Niederlassungsleiter ernennen? Verdient hätte es Jim auf jeden Fall. Er ist ein begnadeter Kundenberater, der intensive Beziehungen zu seinen Kunden aufbaut, um die Ziele der Bank gewinnbringend umzusetzen. Ein letztes Mal denkt Jim an seinen Sasha, sieht sein wunderschönes Gesicht vor sich und ist sich sicher, dass es das wert war – egal, was bei dieser Unterredung herauskommt. Viel zu schnell ist er im zweiten Obergeschoss angekommen und tritt aus der engen Kabine heraus. Er klopft an die Tür des Sitzungszimmers und tritt ein, als er dazu aufgefordert wird.
„Guten Tag, Herr Decker. Nehmen Sie doch bitte Platz“, spricht ihn ein geschniegelter Mittvierziger an und deutet auf den freien Stuhl an dem runden Tisch. Jim erkennt den Mann sofort. Auf unzähligen Schreiben, Medienmitteilungen und Berichten hat er das Foto seines höchsten Vorgesetzten gesehen, ist ihm bisher aber noch nie persönlich begegnet. Herr Mauchle ist einer von fünf Männern, die das hochkarätige Bankratsgremium bilden. Er ist zuständig für das Privatkundensegment. Jim nickt und setzt sich leise hin. Das Zimmer wirkt kühl, ist nur minimalistisch und doch stilvoll eingerichtet. Große Fenster fluten den Raum mit Licht.
„Vielen Dank“, entgegnet er beinahe tonlos, bevor er sich umsieht. Drei Herren und eine Dame sitzen ihm gegenüber. Neben Herrn Mauchle von der Geschäftsleitung sind der bankeigene Rechtsanwalt, ein Vertreter des Personalrates und die Leiterin der Personalabteilung anwesend. Womit habe ich diese Ehre verdient?, fragt sich Jim kurz, bevor Herr Mauchle weiterspricht. „Herr Decker, meine Kollegen und ich haben uns heute hier eingefunden, weil wir mit Ihnen über einen Vorfall sprechen möchten, der sich vor ein paar Tagen in dieser Filiale ereignet hat. Sicher können Sie sich genau vorstellen, wovon ich spreche, nicht wahr?“
„Tut mir leid, das kann ich nicht“, lügt Jim und versucht dabei einen ernsten Gesichtsausdruck aufrechtzuerhalten. Er ist weiß wie eine Wand, Schweißperlen glitzern auf seiner Stirn und seine Handflächen sind feucht.
„Was hier geschehen ist, wird Konsequenzen haben, das steht fest. Gleichwohl möchten wir Ihnen die Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen, bevor wir eine definitive Entscheidung treffen. Die Kollegin vom Personalwesen wird uns dabei beratend zur Seite stehen. Ich bin ehrlich mit Ihnen: einen solchen Fall gab es in unserer Bank noch nie. Wir haben …“, beginnt er, bricht dann aber ab. „Beatrix Müller hat uns die Aufnahmen einer Sicherheitskamera zugespielt, die wir uns angesehen haben und nun auch Ihnen, Herr Decker, die Möglichkeit geben wollen, einen Blick darauf zu werfen.“ Jim wird noch bleicher. Sicherheitskamera? Bea? Oh, Mann! „Bitte, Frau Bertschinger, spielen Sie die Aufnahme ab“, spricht Herr Mauchle die Dame von der Personalabteilung an. Sie drückt den Wiedergabeknopf der Fernbedienung und der Fernseher erwacht zum Leben. Das schwarz-weiße Kamerabild zeigt den Kundentresor im Untergeschoss der Bank. Die schwere, meterdicke Stahltür steht offen und die kalten Neonleuchten hüllen die unzähligen kleineren und größeren Tresorfächer in künstliches Licht. Jim schließt wissend die Augen. Ein paar Augenblicke geschieht nichts, doch dann taumeln zwei Gestalten ins Bild. Eng umschlungen und küssend. Zwei Männer. Der eine trägt einen teuren Anzug, den Jim sofort erkennt, weil er ihn auch heute anhat. Der andere ist legerer gekleidet, in enge Jeans und mit einem schlichten, weißen Hemd.
Sasha.
„Die Aufnahmen haben keinen Ton, aber ich denke, dass man sehr gut sieht, um was es geht“, entgegnet Frau Bertschinger ruhig und professionell. War das ein Zwinkern? Hat sie mir zugezwinkert? Jim verwirft den Gedanken augenblicklich, bevor er sich wieder auf die Filmvorführung fokussiert. Er kann sich an diesen Tag sehr gut erinnern. Sasha hat ihn besucht, sie wollten essen gehen. Doch dann hat die Anziehungskraft überhandgenommen und Jim hat Sasha in den Tresorraum geschleift. Das Knistern, das die Männer gespürt haben, ist selbst auf dem farb- und tonlosen Film der Überwachungskamera mehr als spürbar. Jim vertieft sich wieder in die bewegten Bilder, die über den Monitor flackern und unbarmherzig einen äußerst intimen Moment in die öffentliche Wahrnehmung zerren. Das Video zeigt, wie er Sasha über die Couch im Kundentresor legt und ihn ausgehungert küsst.
„Die Brisanz der Lage lässt uns keine andere Wahl, als darüber zu beraten, wie wir auf diese Übertretung reagieren“, wirft Herr Mauchle von der Geschäftsleitung ein.
Die Wiedergabe wird gestoppt.
Vier Augenpaare sind nun auf Jim gerichtet. Emotionslos betrachten sie ihn, während er sich immer unwohler in seiner Haut fühlt. Ein kaum wahrnehmbares Nicken ist alles, was sie von dem sonst so gefassten und coolen Kundenberater erhalten. Als erstes spricht Herr Mauchle, gefolgt vom Personalratsvertreter und der Leiterin des Personalwesens, Frau Bertschinger. Der Rechtsanwalt sitzt nur dabei, notiert sich hin und wieder etwas und nickt seine Zustimmung, wenn es um rechtliche Themen geht. Es wird über Standpunkte, Sanktionen und sogar Entlassung debattiert. Jim versinkt – während über seine Karriere beraten wird – in eine viel angenehmere Erinnerung:
„Gibt es hier keine Überwachungskameras?“, will Sasha keuchend wissen, als er sich für eine Millisekunde von Jims feuchten, leicht geschwollenen Lippen löst, um sie gleich darauf wieder gierig zu küssen. Jim hält seinen Freund fest umschlungen und presst seine Körpermitte gegen ihn. Sie fühlen beide die gegenseitige Anziehungskraft, das blinde Verlangen und die Gier nach dem Körper des jeweils anderen.
„Klar gibt es die, aber die schaut sich nie jemand an. Die werden nur herangezogen, wenn es ein Verbrechen aufzuklären gibt und das hier“, Jim fährt mit seinen erhitzten Fingern über Sashas Hemd, erahnt darunter diese himmlisch zarte, leichtgebräunte Haut, „ist kein Vergehen. Ganz im Gegenteil. Es wäre ein Verbrechen, nicht von dir zu kosten.“ Die Männer lachen, bevor sie ihr frivoles Spiel fortsetzen. Jim legt Sasha vorsichtig über die Lehne der Couch, presst sich auf ihn und reibt sich an ihm. Er will alles von ihm spüren und erkunden.
„Ich … ich war noch nie in einem Kundentresor. Das ist nur was für die Reichen. Die bunkern hier ihre unversteuerten Goldbarren und Geldbündel, oder?“, nuschelt Sasha trunken vor Lust, bevor er Jims Seidenhemd aufknöpft und ihm gierig über die Brust leckt. „Außerdem ist es ziemlich kühl hier unten.“
„Dir wird schon warm, keine Angst“, haucht Jim, bevor er Sasha in den Schritt fasst, um dessen Erektion durch die Jeans zu massieren. Sasha stöhnt hingebungsvoll, sucht Jims feuchte Lippen, um ihre Münder erneut zu versiegeln.
„Und du bist sicher, dass niemand runterkommt?“
„Es ist Mittag, da hat die Bank geschlossen. Wir sind allein, das verspreche ich dir“, antwortet Jim beruhigend.
„Gibt es hier kein, ich … Jim, bitte. Ich will dabei nicht gefilmt werden, das soll etwas zwischen dir und mir sein. Gibt es hier unten keinen Raum ohne Videoüberwachung?“ Ohne zu zögern, reagiert Jim auf Sashas Unsicherheit und zieht ihn hoch. Sie taumeln eng umschlungen und sich gierig küssend über den dunklen Teppichboden des Kundensafes. Im hinteren Bereich des Tresors gibt es Räume für Kunden, in denen sie ungestört Geld zählen, Schmuckstücke betrachten und geheime Dokumente einsehen können. In eines dieser kleinen, zweckdienlich eingerichteten Zimmer, drängt Jim Sasha nun. Ausgestattet sind alle Räume gleich. Es gibt einen modernen Holztisch sowie einen edlen, ledernen Stuhl, der das schlichte und doch hochwertige Ambiente komplettiert.
Das war’s.
Außerdem liegen Notizpapier und Kugelschreiber neben einem Telefon bereit. Die Männer ziehen sich gegenseitig aus. Langsam und sinnlich. Jim öffnet gekonnt Sashas Hemdknöpfe, um dessen wohlgeformten Körper, die gebräunte Haut seines Torsos freizulegen. Eine leichte Gänsehaut überzieht Sashas Silhouette, ein Zeichen seiner steigenden Lust. Vergessen ist die kühle Luft der Umgebung. Ein Kleidungsstück nach dem anderen fliegt auf einen wirren Haufen nahe der Tür, die Jim gewissenhaft verriegelt hat. Nackte Haut, überall. Heiße, beinahe glühende Haut, die vor Verlangen prickelt. Sasha beißt sich auf die Unterlippe, als Jim seine schwarzen, figurbetonten Pants zu Boden gleiten lässt und seinen halbsteifen Penis zärtlich streichelt. Die Vorhaut hat er zurückgeschoben, um den Blick auf die feucht glänzende Eichel freizugeben. Nachdem sie sich minutenlang verliebt betrachtet, gestreichelt und geküsst haben, drängt Jim Sasha an den Tisch und lässt ihn seine Hände auf der Tischplatte abstützen. Langsam streichelt er von Sashas Haaransatz über die kantigen Schultern, zu seinem Rücken. Er bedeckt seinen Liebsten mit hauchzarten Küssen, kein Zentimeter bleibt verschont. Immer tiefer und tiefer gleitet er über die perfekte Silhouette seines Partners. Jim spürt die leichten Zuckungen, dort, wo er Sasha berührt, ertastet die Gänsehaut, die dessen zierlichen Körper überzieht und grinst süffisant. Er kniet sich auf den Boden hinter Sasha und betrachtet verzückt den nackten Mann vor sich.
Sexy.