Es regnet kontinuierlich stark, der Himmel ist wolkenverhangen und der Tag trist wie ein Herbsttag, dabei wäre es Sommer. Während der kurzen Autofahrt überlegt sich Raphi krampfhaft, was er als Ausrede vorbringen könnte, um nicht Einrücken zu müssen. Krankheit, Haarausfall, seelische Verkrüppelung, Angstzustände, Schweißausbrüche? Nichts ist belegbar und nichts würde ihm ein Arzt bescheinigen.
Verdammt.
Schwungvoll fährt Raphael auf den letzten freien Parkplatz vor dem Zivilschutzbunker, würgt den Motor seines kleinen Fiat 500 ab und steigt aus. Rasch die Frisur richten, Kleider stramm ziehen und los geht’s. Er winkt den wartenden Zivis zu, verstaut seine Umhängetasche im Kofferraum und stolziert auf die Meute zu. Dieser verdammte Regen zerstört meine Frisur. Soll ich den Schirm aus dem Kofferraum mitnehmen? Hm … die Typen stehen alle im Regen und starren mich an, wenn ich jetzt mit dem Knirps daherkomme, ist es gelaufen, dann hacken sie auf mir herum. Reiß dich zusammen, Raphi, du schaffst es auch ohne Schirm. Deine Haare sitzen perfekt. Ihm schießen diese Werbespotts von ‚Drei Wetter Taft‘ und Heidi Klum durch den Kopf: Acht Uhr, Zivilschutzbunker, Regen, Sturm, Unwetter, die Frisur sitzt perfekt. Drei Wetter Taft.
„Hallo Jungs. Alles klar bei euch?“, will Raphael sympathisch lächelnd wissen, während er seine weißen Beisserchen blitzen lässt. Ein unverständliches Grummeln schlägt ihm entgegen. Ich liebe mein Leben. Ich liebe mein Leben!
„Willkommen, Korpi Böhmer! Da wir endlich komplett sind, gibt es Appell. Stellt euch in Zweierreihen auf!“, gibt der Kommandant seinen Befehl. Die Männer stellen sich in der geforderten Formation in den Regen und warten auf das Aufrufen der Namen. In den Regen? Warum stellst du dich nicht in den Regen, du bierbäuchiger Idiot!, keift Raphael innerlich, als er sich griesgrämig hinter die strammstehenden Männer stellt. Im Hintergrund ist die Aussicht einfach besser, da kann man die genetischen Anlagen der Zivilschützer überprüfen, ohne dass es auffällt. Aber diese Truppe scheint aus den Niederlanden zu kommen. Keine Hügel oder Erhebungen.
Flach. Flach. Flach.
Raphaels geschultes Auge erkennt den einzigen sehenswerten Po sofort. Was für eine bescheidene Ausbeute! Ein toller Hintern? Das ist das Beste, was der Zivilschutz zu bieten hat? Die Namen werden heruntergelesen und alle Anwesenden bezeugen mit einem lauten „Ja!“ oder „Hier!“ ihre Präsenz. Tiefe, rauchige und männliche Stimmen von richtigen Kerlen ertönen. Raphaels „Ja, hier“, wird überhört und er muss es bestimmter wiederholen. Einige Männer drehen sich zu ihm um und sehen ihn abwertend an. Schaut nach vorne ihr Affen! Hier gibt’s nichts zu sehen, außer einen Schwulen, der nicht hier sein will. Hilfe! Warum hilft mir niemand? Hoooolt mich aus diesem Verein heraus! Lass es einen Systemfehler geben, bei dem mein Name gelöscht wird!, bittet Raphael im Stillen.
Ohne Erfolg.
„Böhmer, du begleitest Zugführer Schaffner und Korporal Knebel zur Schadensaufnahme ins Umland. Die starken Regenfälle der vergangenen Tage haben viel Schaden angerichtet. Eure Aufgabe ist es, diese Schäden zu kategorisieren und auf einer Karte einzutragen. Schnappt euch den Puch und fahrt diese Stellen ab. Okay?“ Ein Nicken der betroffenen Männer. In Raphael baut sich eine ungeheure Panik auf. Raus aufs Feld? Ihr wollt mich mit meinen Designerturnschuhen in die Wildnis schicken? Es regnet! Was ist mit meiner Frisur? Verdammte Scheiße! Geduckt stolziert er zu dem erwähnten Fahrzeug. Ein Puch ist ein geländetaugliches Armeefahrzeug. Kennt ihr diese Jeeps, mit denen man auf Safari geht? Die Front ist ähnlich, gefolgt von einer Ladefläche, wo man das Vieh hineinpferchen kann, bevor es zur Schlachtbank geführt wird. Ach nein, das war ja was anderes. Aber auf der Ladefläche kommt sich Raphael genauso vor. Wie ein Rind, das seine letzte Reise antritt. Der Zugführer und der andere Korporal setzen sich natürlich vorne rein, dort, wo man gemütliche Sitze und Sicherheitsgurte hat. Außerdem blickt man geradeaus und wird nicht quer sitzend, durch die Gegend geschleudert. Der Zivilschützer auf der Ladefläche kommt sich wie in einer riesigen Waschmaschine vor, die den Schleudergang startet.
Es rüttelt und schüttelt.
Raphaels halblange blonde Haare halten dieser Schüttelpartie nicht lange stand – trotz fünf Tonnen Gel. Immer wieder fallen ihm Strähnen ins Gesicht und behindern seine Sicht, reizen seine empfindlichen Augen.
So viel zu Heidis Haarspray!
Fahrig streicht er sie hinter die Ohren zurück, kann sich aber nicht lange darauf konzentrieren, denn um nicht hinten aus dem, mit Plachen überspannten Wagen zu fallen, muss er sich festhalten. Er kämpft da hinten um sein Leben, während die beiden Soldaten in der Fahrgastkabine gemütlich ein Schwätzchen halten. Flach- und Knackarsch genießen die schöne Zeit. Ich könnte kotzen!, denkt Raphael genervt. Immer mal wieder sieht der Fahrer in den Rückspiegel und verfolgt die verzweifelten Bewegungen der Ladung mit einem hämischen Grinsen im Gesicht. Wenn du nochmal so blöd guckst, dann hau ich dir eine runter!, wütet Raphael im Stillen. Dabei hat er noch nie jemanden geschlagen.
Gewaltlos glücklich.
Sie fahren über befestigte und unbefestigte Schotterpisten und Waldwege. Es ist, als ob die Zivilisation geendet hat und sie durch unberührte Natur donnern – auf verfluchten Schotterpisten! Schluss mit Handyempfang, Internet, Elektrizität und fließendem Wasser. Es kommt Raphael so vor, als ob er der erste und einzige schwule Mann ist, der jemals hier durchgekarrt wurde … seit Menschengedenken.
Wenn es etwas gibt, das Raphael hasst, dann sind es schmutzige Hände, Kleider und Schuhe. Und wenn es etwas gibt, das er überhaupt nicht kann, dann ist es Kartenlesen. Das konnte er noch nie, überlebte dennoch, dank innovativen Apps auf seinem iPhone. Tolle Aussichten für den heutigen Tag, vor allem, weil er in seinen Händen eine Gemeindekarte hält, auf der er die Schäden einzeichnen soll. Raphael, die Appqueen, und eine Landkarte?
Ein Paradoxon.
„So, hier sind wir. Schauen wir uns den Schaden an, der von hier gemeldet wurde“, bestimmt Zugführer Schaffner, als er aussteigt und losstampft. Der Motor des Spritfressers bleibt an, was sonst? Knebel folgt ihm, wie ein zahmes Schoßhündchen. Raphael jedoch, muss zuerst von der Ladefläche herunterklettern. Gar nicht so einfach. Vorsichtig lässt er sich via Anhängerkupplung auf den Boden sinken. Verdammte Kletterei. Hey, wartet auf mich! Raphael stampft hinter den Männern her und versucht sie einzuholen. Es geht über die Wiese in Richtung Bach. Das Gras ist nass, der Boden aufgeschwemmt und der Regen fällt noch immer, was jeden Fußtritt zum Spießrutenlauf macht. Hey, was ist mit meinen Schuhen? Ihr verlangt jetzt nicht von mir, dass ich hier durchstampfe, oder?
„Böhmer, wo bleibst du? Komm endlich!“, dröhnt Schaffners Stimme über das offene Feld. Raphi schließt die Augen, holt tief Luft und geht los. Immer bedacht, in keine Pfütze zu treten, geht er Schrittchen für Schrittchen in die Richtung der Männer. Als er das erste Mal in den Schlamm tritt, flucht er noch laut vor sich hin, versucht seine Schuhe an einem Grashalm zu säubern, doch dann gibt er es auf. Verdammte Kacke. So viel zu meinen neuen Schuhen. Ich könnte weinen, schreien, ausflippen. Meine US-Treter! Sniff. Er stolpert in Richtung des Baches, wo ein Murgang den Wasserfluss behindert, angeblich. Was soll ich hier? Lasst doch das Wasser selbst einen Weg herausschwemmen. Die Natur findet einen Weg! Diese Arbeit ist sinnvoll, aber es ist kalt, nass und ungemütlich. Meine Schuhe! Jetzt geht der ausgespülte Trampelpfad in eine Steigung. Das Vorankommen wird schwieriger. Raphael geht langsam, bedacht und doch muss er die anderen endlich einholen. Mit seinen Händen sucht er die Balance. Es sieht aus, als ob er tänzelt, so grazil und vorsichtig.
Ein falscher Tritt genügt.
Es passiert schnell. Raphael weiß nicht, wie ihm geschieht. Den Fall registriert er gar nicht, er spürt nur, dass seine Turnschuhe auf dem schlammigen Boden nachgeben. Das nächste, was er fühlt, ist, dass er auf dem Boden aufschlägt. Es ist kalt, feucht und verdammt ungemütlich. Seine Kleidung, die Haare und Schuhe saugen sich blitzschnell mit der schmutzigen Feuchtigkeit voll.
Er liegt Gesicht über im Schlamm.
„Böhmer, alles in Ordnung?“, vernimmt er die Stimme seines Kollegen Knebel. Er bringt nicht viel mehr als ein Stöhnen hervor. Oh mein Gott. Dreck, überall Schlamm. Es ist kalt, nass und igitt, wie widerlich. Verdammt, ich habe dieses Zeug überall. „Böhmer?“
„Ja, verdammt, helft mir auf“, kommt es gereizter, als er es beabsichtigt hat. Die Kollegen helfen ihm. „Wo ist meine Brille?“, will Raphael mit weinerlicher Stimme wissen.
„Hier“, meint Schaffner, als er ihm die Brille reicht. Sie ist noch heil – zum Glück. Raphi zieht sie an und richtet seine Kleider. Er sieht wie ein Dreckspatz aus. Von oben bis unten mit Schlamm, Erde, Matsch und Grashalmen bedeckt. „Geh zurück zum Wagen! Wir werden uns das hier alleine ansehen“, befiehlt der Zugführer mit wenig Empathie. Raphael nickt und dreht sich um.
„Ich gehe mit ihm, Schaffner, er ist verletzt und sollte nicht alleine sein!“, meint Knebel mit eindringlicher Stimme. Oh? Da interessiert sich ja doch jemand – wenigstens ein bisschen – für mich.
„Einverstanden. Ich komme gleich nach!“, sagt Schaffner bestimmt, bevor er weiter in Richtung Schadenstelle geht.
„Komm, ich helfe dir“, bietet Knebel an.
„Ich kann alleine gehen!“
„Entschuldige, wollte nur helfen.“ Raphael dreht sich in Richtung des geparkten Wagens und geht los. Als er auf seinen rechten Fuß aufsetzen will, durchdringt ihn ein unheimlich starker Schmerz. Er zuckt zusammen und schreit auf. Knebel fängt ihn auf, bevor er erneut auf dem Boden aufschlägt. „Hab‘ dich. Stütz dich auf mir auf, ja?“ Das ist das erste Mal, dass Raphael dem Mann in die Augen sieht. Sie sind braun. Ein köstliches Schokoladenbraun, worin man sich verlieren könnte. Er hat markante Züge, kurze Haare, eine breite Nase und wunderschön geschwungene Lippen. Er sieht trainiert, muskulös und stark aus. Raphi legt seinen Arm um die Schultern des Mannes und lässt sich zum Militärfahrzeug helfen. Jeder Schritt tut weh – Höllenqualen muss er erleiden. Aber dank der Hilfe des charmanten Zivis, kommt er relativ schnell beim Wagen an und setzt sich auf die Ladefläche, lässt seine Beine baumeln.
„Scheiße!“, grummelt er leicht benommen.
„Das kannst du laut sagen! Lass mich mal deinen Kopf sehen, du blutest!“, meint Knebel mit einer schnurrenden Stimme.
„Ich blute? Wo? Verdammt, ich kann doch kein Blut sehen, dann … dann kippe ich um!“
„Keine Panik“, flüstert Knebel, als er Raphael die Hand auf die Schulter legt, um ihn zu beruhigen, indem er sanfte Kreise auf den Stoff massiert. „Ich sehe mir das an, okay? Vertraust du mir?“ Raphael sieht ihm in die Augen und nickt zögerlich. Wer könnte einem Mann wie dir auch nicht vertrauen?, denkt Raphael leicht schwärmerisch und versucht sich nichts anmerken zu lassen. Mit einer sanften Bewegung streicht ihm der Mann die schlammigen Haarsträhnen aus dem Gesicht, dann zieht er seine Jacke und das T-Shirt aus, um dem Verletzten mit seinem T-Shirt das Gesicht zu säubern. Beinahe zärtlich führt er den Stoff über das zarte Gesicht, befreit es von Schmutz und Feuchtigkeit. Raphael lässt es sich nicht nehmen und starrt auf die muskulöse, behaarte Männerbrust. Dieser Duft, der am Synthetikstoff haftet, ist einmalig und absolut betörend. Schweiß, Moschus, Duschgel, purer Sexappeal.
„Wie ist dein Vorname?“, flüstert Raphael.
„Adrian. Du bist Raphael, oder?“
„Ja, genau. Danke Adrian, für deine Hilfe.“
„Dafür nicht“, flüstert er, als er Raphael mit dem Daumen eine Träne aus dem Augenwinkel wischt. Diese sensiblen und zarten Berührungen schießen direkt in Raphaels Lenden. Er wird augenblicklich steinhart. Dieser fürsorgliche, attraktive Mann, ist so wunderschön und … geil, dass Raphael richtig heiß wird. Es ist als ob sein Körper von elektrischen Stößen durchflutet wird, sein Herz beginnt schneller zu schlagen und sein Atem kommt abgehackt. Mit seinem Daumen fährt Adrian über Raphaels Wange, seine Lippen und den Hals.
Quälend langsam.
„Wa – was tust du da?“, stammelt Raphael verlegen.
„Du bist wunderschön. Ich habe mir schon lange vorgestellt, wie du dich anfühlst, wie du duftest und was für Geräusche du machst.“
„Warum – warum hast du nie etwas gesagt?“
„Du warst immer so abweisend gegenüber uns allen, dass ich mich nicht getraut habe. Ich dachte, dass du kein Interesse an mir hast.“
„Ich wusste nicht, dass du schwul bist …“
„Ich bin nicht wirklich schwul. Aber du wirkst schon sehr anziehend auf mich. Kriege ich einen Kuss?“
„Frag nicht, nimm dir, was du begehrst“, schnurrt Raphael entrückt. Adrian schließt die Augen und kommt mit seinem halbgeöffneten Mund auf Raphael zu. Dieser Mann ist Sünde pur und Raphi kann es kaum erwarten, ihn zu küssen. Er spitzt den Mund und als sich die beiden Lippen treffen, geht ein Schauder durch beide Körper. Adrian stöhnt in Raphaels Mund, während dieser sich an Adrians muskulöse Brustmuskeln krallt. Er berührt ihn an den Armen, zieht in näher zu sich hin, spreizt die Beine und nimmt Adrian zwischen seinen Schenkeln auf. Da sitzt er nun, muss sich zu Adrian emporrecken, himmelt ihn von unten an. Es ist unheimlich schön, so geküsst zu werden.
Voller Verlangen, voller Wollust, voller Gier.
Adrian drückt sich an Raphael, lässt ihn seine stahlharte Männlichkeit spüren und entlockt ihm damit ein wimmerndes Keuchen. Der Kuss intensiviert sich, während sie ihre Lippen fester aufeinanderpressen, mit ihren Zungen rangeln und sich gegenseitig berühren, fühlen und aneinanderdrücken. Sie versinken in einer wollüstigen Raserei, können nicht genug voneinander kriegen. Raphael zieht mit seinen Fingern die Konturen von Adrians Männerbrust nach, markiert ihn mit einer sanften Schmutzspur. Das ist sehr erotisch und erregt beide Männer bis zum Äußersten. Unisono stellen sich die feinen Härchen an Adrians Arm auf, reagieren auf die zärtlichen Berührungen, die sinnlichen Küsse und die Wärme des anderen Körpers.
„Böhmer?“
Raphael taucht mit seinen Händen in das dichte, schwarze Brusthaar ein und zieht sanft daran, um seinem Gegenüber Geräusche purer Lust zu entlocken. Er wird sich ihm hingeben. Hier auf diesem Militärfahrzeug, an diesem regnerischen Tag, mitten im Nirgendwo. Er wird sich von ihm nehmen lassen.
Hart, schmutzig und geil.
Ohne zu zögern wird er Korporal Knebel sinnliche Fantasien erfüllen, die des Mannes kühnste Fantasien übersteigen werden.
Hingabe, Vertrauen, Lust.
„Böhmer, wach auf!“, kommt die Stimme erneut. Raphael schüttelt den Kopf. „Böhmer. Geht es dir gut? Böhmer?“, schreit jemand. Raphael öffnet die Augen und liegt Gesicht voran im Schlamm. Er richtet sich auf, schüttelt den Kopf und streicht eine kühlnasse Ladung Matsch aus seinem Gesicht.
„Es war ein Traum?“, murmelt er benommen.
„Was war ein Traum? Du bist hingefallen und warst für einen kurzen Moment weggetreten“, erklärt ihm Schaffner mit einem strengen und prüfenden Blick. Raphael schluchzt. Die Erkenntnis, dass es nur ein Traum war, schmerzt ihn mehr, als die effektiven Schmerzboten, die seinen Körper fluten. „Bist du verletzt?“
„N… nein – ich – ich denke nicht.“
„Wir helfen dir hoch, dann geht’s zurück zum Bunker. Wahrscheinlich schickt dich der Kommandant dann nach Hause. Kannst du stehen?“, will der Gruppenführer wissen, als er Raphael auf den eigenen Beinen stehen lässt. Ein kurzes Nicken vom Patienten und zurück geht der Weg zum Puch, dem Militärfahrzeug, wo sich Raphael in seinen Träumen beinahe hat Nehmen lassen, von Korporal A. Knebel.
Die Fahrt zurück zum Zivilschutzbunker geht schnell und ohne größere Probleme von statten. Raphael bekommt es nicht richtig mit. Seine Gedanken sind wirr und nebulös. Dieser Traum war so real, dass Raphael noch immer einen pochenden Ständer hat, der gegen die Hose drückt und befreit werden will. Dabei weiß er nicht mal, ob Knebel wirklich Adrian mit Vornamen heißt. Er hat nie mit ihm gesprochen und wird es wohl auch nie. Die drei Männer schweigen, bis sie beim Bunker ankommen, wo Raphael vom Kommandant ins Sanitätszimmer geführt wird, um ihn zu versorgen.
„Huere Siech!“, wütet der Kommandant, als er mit Raphael alleine ist. „Wo sind deine verfluchten Kampfstiefel? WO?!“, will er gehässig wissen. Raphael schüttelt den Kopf. „Das dörf doch nöd wahr si! Weißt du, dass du keinen Versicherungsschutz hast, wenn du diese Stiefel nicht trägst? Jetzt können wir schauen, wie wir dich wieder hinkriegen. Was hast du überhaupt?“
„Mein Knöchel tut weh“, schluchzt Raphael.
„Tut der Tucke der Knöchel weh? Bubu. Soll ich blasen und ein Pflästerchen draufkleben? Hm? Eines mit pinken Herzchen?“, spöttelt der Kommandant belustigt. Du blöder Pimmel. Ich habe Schmerzen, weil du mich mit meinen Turnschuhen durch den Matsch geschickt hast und du hackst auf mir rum? Sieh dir mal meine Treter an, die kann ich wegschmeißen und mein Knöchel. Verflucht. Und du, du blöder Arsch, machst mich hier blöd an? Ich könnte heulen. Aber ich darf nicht, nicht vor dem Kommandanten.
„Es tut verdammt weh, okay? Ich kann kaum auftreten.“
„Dann geh nach Hause, Böhmer. Okay? Leg dich hin, pack ein paar Eisbeutel drauf und ruh dich aus. Und wenn ich dich morgen nochmals ohne diese beschissenen Kampfstiefel sehe, passiert was. Verstanden?“
„Ja“, murmelt Raphael.
„VERSTANDEN?!“
„Ja, Kommandant!“, gibt Raphael zurück, bevor er abtritt, um nach Hause zu fahren.
Ein glorreicher erster Zivilschutztag geht zu Ende.