Bücher mit eindeutig homoerotischen Inhalten … scheinen so das gängigste Gay-Genre zu sein, das man in deutschsprachigen Homo-Haushalten und auf eBook-Readern findet. Seichte Geschichten über den ersten Blickkontakt, das Kennenlernen, das Zögern und das Verweigern um sich dann wenig später zügellos und ungeschützt mit dem Angebeteten auf der Matratze, dem Küchentisch oder im Auto auszutoben …
Vielleicht gibt es noch ein kleines Drama mit den Eltern, dem Bürokollegen oder dem Nachbarn. Aber sonst lautet das Motto: Romance, Kitsch und Sex. Vielleicht noch ein bisschen Drama … Aber das war‘s dann auch schon. Klar, heiss ist das schon … keine Frage. Fantasien werden wahr. Innere Leidenschaften geweckt und stimuliert …
Und doch denke ich, dass es mehr Bücher geben sollte, die ein bisschen mehr von den Lesern verlangen als 150 Seiten mit einem Steifen (auch Harten oder Ständer 😉 ) in der Hose ein Buch zu lesen. Warum muss der enge und heissblütige Körperkontakt zwischen zwei Männern nur dann stattfinden, wenn sie nebeneinander einziehen, sich in der Disco oder in einer Bar kennenlernen, das gleiche Studentenheim bewohnen oder sich per Zufall in einem Waschsalon begegnen? Warum kann die Geschichte nicht reichhaltiger und abwechslungsreicher sein? Gut, ihr denkt jetzt sicherlich: „Sex ist Sex …“
Kann schon sein.
ABER! Folgendes Szenario: Nach der gefährlichen und nervenzerreisenden Rettungsaktion mit ein paar Toten, schliesst der Hauptcharakter – überglücklich und erleichtert – seine beiden Adoptivkinder wieder in die Arme um dann wenig später seinen Liebhaber bewusstlos zu lieben … Klingt spannend und regt das schlaffe Fleisch trotzdem an.
Oder nicht?
Stellt euch jetzt noch vor, dass dieser Hauptcharakter kurz vor diesem lüsternen Körperkontakt über den Atlantik gejettet ist um seine Kinder aus den Fängen eines skrupellosen Drogensyndikats zu befreien und sich eine Messerstecherei mit dem Drogenboss geliefert hat.
Es wird immer besser, oder?
Genau das meine ich. Ein Roman mit spannungsgeladenem Inhalt kann mich genau so anregen, mir aber zusätzlich kalten Schauer über den Rücken jagen und Gänsehaut (CH-Deutsch: Hühnerhaut) bescheren. Es macht das ganze abwechslungsreicher und zeigt meinen schwulen Helden auch mal in Action und stellt ihn vor Herausforderungen, die ihn an den Rand seiner Kräfte und seines Willens treiben …
Versteht mich nicht falsch. Ich lese auch gerne guten Sex und schätze die Bücher, die ihn beschreiben. Es muss sich also niemand angegriffen fühlen …
Und wieder ein grosses ABER:
Wenn dieser Sex noch in eine einzigartige, ideenreiche und überraschende Geschichte verpackt wird, dann finde ich ihn noch viel besser, weil er passiert, wenn ich es am wenigsten erwarte oder mich seine Intensität überrascht. Ich kann mit dem Hauptcharakter mitfiebern und für ihn hoffen, dass alles gut wird und er sein kitschiges Happyend erhält. Für mich ist ein Buch gut, wenn ich staune, mich aufrege, Tränen vergiesse, mitfiebere, das Buch nicht mehr weglegen kann, ab und an einen grossen, prallgefüllten, pochenden S… Schreck 😀 bekomme und am Schluss fassungslos und doch berührt zurückbleibe …
Ich wünsche mir mehr solche Bücher. Und ihr?